22.3.2019 - Nun sitzen wir auch noch auf Grund

Ich starte zeitig und top motiviert in den Tag. Pünktlich um 8 Uhr berappe ich beim Lucka Kapetanja in Tisno (auch sehr nett, die Leute dort) die Kurtaxe für die nächsten 2 Wochen (360 Kuna. 48,50 Euro. Dabei ist es jedoch egal, wie viele Leute am Boot mitfahren!). Um 08:15 Uhr bin ich schon wieder zurück auf Tina und beginne damit, sie seeklar zu machen. Ich hole das Landstromkabel ein, schließe die Seeventile und mache klar Schiff! Danach melde ich mich ordnungsgemäß im Marina-Office ab, hole die Passarella über und finde auch ein geeignetes Plätzchen, um diese an Deck fest zu zurren. Ich schalte den Kühlschrank aus, mache den Pinnenpiloten startklar und deponiere die Steckschotten seesicher in der Hundskoje, gleich neben dem Niedergang. Ich richte mir noch Brote für unterwegs, starte Funk, meinen GPS/Glosass-Empfänger und plane die Route nach Biograd am IPad. Es kann losgehen!

9:15 Uhr: Klar zum Ablegen! Der Wind kommt von hinten, also beginne ich damit, zuerst die Vorleinen los zu machen und auf den Steg über zu werfen, für das Anlegen im Fremdhafen, habe ich eigene Festmacherleinen mit. Nun hängt Tina nur mehr an den Muringleinen, die von ihrem Heck aus, in die Mitte der Boxengasse verlaufen und dort an einem schweren Betonblock befestigt sind. Ich löse nun auch die leeseitige (dem Wind abgewandte) Muringleine und lasse sie auf den Grund des Hafenbeckens absinken. Danach lege ich die luvseitige (dem Wind zugewandte) Muringleine zuerst auf Slip und versuche uns danach an dem dicken Tau rückwärts aus der Box zu ziehen. Ich zerre und zerre! Tina bewegt sich keinen Millimeter nach Hinten. OK, also doch zu viel Wind?! Ich lege den Rückwärtsgang ein. Standgas. Normalerweise sollte es uns nun schon nach hinten ziehen! Nichts tut sich. Ich gebe Gas! Noch nehr Gas! Keine Chance! Huston, we have a problem! Tina steckt mit ihrem Kiel im Sand/Seegras des Hafenbodens fest. Fuck! Wir hatten doch eigentlich schon abgelegt!

Ein teilnahmslos, direkt an der Szenerie vorbeigehender Mariniero, welchen ich zu mir winke, bestätigt meinen Verdacht! Ich Depp habe die Tide nicht bedacht! Warum sollte ich das auch gemacht haben?! Hier beträgt der Tidenhub ja nicht mal einen Meter und in all den Jahren musste ich mir wirklich nirgends, in keinem Hafen und mit keinem Schiff, egal ob Motor- oder Segelboot, um die Tide sorgen! Wer konnte damit rechnen, dass der Liegeplatz hier so(!) seicht ist, dass sogar die kleine Tina, mit ihrem geringen Tiefgang von 1,4 Metern Probleme hat? Der Vorbesitzer hätte mich auch warnen können! Und die Leute an der Rezeption, bei denen ich mein Auslaufen bekanntgegeben habe, ebenfalls! Naja, auf jeden Fall dürften wir sowohl bei der Probefahrt, als auch beim Erstschlag mit Wolfgang verdammtes Glück gehabt haben. Nicht auszudenken, wenn wir ausgefahren wären und nicht mehr rein gekonnt hätten, da zwischenzeitlich das Wasser abgelaufen ist?! Im besten Fall wären wir direkt am Liegeplatz, oder kurz davor auf Grund gelaufen, im Schlechtesten schon irgendwo mitten im Hafenbecken. Die Betonblöcke im seichten Wasser hinter Tinas Liegeplatz, wirken jetzt übrigens irgendwie noch bedrohlich näher an der Oberfläche, als zu vor.

Nachdem ich die quasi "trockenfallende" Tina wieder mit Vorleinen und einer zweiten Muring sichere, checke ich, noch im Cockpit sitzend, die Gezeitentabelle! Hochwasser war heute um 05:27 Uhr. Niedrigwasser ist für 11:25 Uhr angesagt! Als ich ausfahren wollte, war das Wasser also schon 4 Stunden am ablaufen. Shit! Nächstes Hochwasser wird, je nachdem welchem Tiden-Vorhersagemodell man Glauben schenkt, um ca. 18:00 Uhr sein. Sofern ich, als jemand, der nun erstmalig mit der Tide konfrontiert wird, das beurteilen kann, wäre die nächste Möglichkeit auszulaufen so gegen 15:00 Uhr. Eventuelle eine halbe Stunde vorher. Wenn ich also um 15:00 Uhr freikommen sollte und mit durchschnittlich 4 Knoten fahre, könnte ich bestenfalls so gegen 19:00 Uhr, also bereits in der Dunkelheit, in Biograd einlaufen. Ich weiß nicht, ob ich meine erste Alleinfahrt teilweise im Dunkeln machen möchte!? Nachtfahrt hatte ich bisher ja auch noch keine! Der nächste Rückschlag! Und das "nachdem" wir eigentlich schon unterwegs waren. OK, wir haben uns zwar nur ein paar Meter bewegt, aber hey, wir waren in Gedanken schon auf dem Weg nach Biograd! Dann das! Shit! Echt!

11:25 Uhr: Das Echolot zeigt 1,1 Meter unter dessen Einbauposition, welche sich etwas unter der Wasserlinie befinden sollte. Mittlerweile hängt Tina schief! Sie neigt sich auf ihre steuerbord Seite und kippt auch schon leicht nach vorne. Am Bug hat das Schiff fast gar keinen Tiefgang. Der gesamte Kiel befindet sich im hinteren Drittel des Bootes. Somit schwimmt der Bug noch, während Tina mit dem Kiel im Schlamm steckt. Komisches Gefühl so bergab in der Dinette zu sitzen und zu schreiben.

Als ich draußen nochmals die Lage checke, erspähe ich einen Mann in ACI Kluft. Ich hechte auf den Steg - Gangway hab ich vorerst nicht wieder ausgebracht - und winke ihn zu mir. Der freundliche Herr klärt mich über die Tide hier auf und versichert mir, dass es ausschließlich im Winter Probleme damit geben kann. Im Sommer ist der Wasserstand generell um einiges höher. Da sollte ich dann jederzeit ausfahren können, ohne auf die Gezeiten achten zu müssen. Ich atme auf! Es stellt sich heraus, dass der Mann der Marina-Manager ist. Er dürfte Zeit haben und beginnt über die Bauvorhaben hier zu berichten. Das gesamte Areal rund um die Rezeption, die bereits neu sanierten Sanitäranlagen, den Pool und das Restaurant wird heuer noch neu gestaltet. Auch wird kommenden Winter "mein" Steg erneuert.


Da ich den "Macher" hier anscheinend schon an der Hand habe, wünsche ich mir, in unerwartet freundlich-frecher Art, für meinen Liegeplatz, anstatt der Ringe, viel einfacher zu handhabende Poller! Er lacht und meint, dass sie ohnehin auf Poller umsteigen werden. Auch für die Marinieros ist das Leinenhandling damit um einges einfacher und auf lange Sicht eines Mariniero-Lebens, doch körperlich weniger belastend. Er meint, viele Marinieros hier hätten Probleme mit dem Rücken oder den Knien. Vom oftmaligen kniend/gebückten Einfädeln der Festmacher-Leinen, von oft hunderten Booten am Tag, in die dummen kleinen Ringe! Er sagt, er war 25 Jahre lang Marina-Manager in Skradin und meint, im direkten Vergleich sind die Marinieros mit ähnlichen Dienstzeiten in Marinas, wo an den Stegen seit jeher Poller angebracht sind, in Bezug auf ihren Bewegungsapparat, deutlich weniger abgenutzt, als jene Hafenhelfer, welche sich über Jahrzehnte mit Festmacherringen abmühen mussten. So kann jeder Job, auch wenn er mit Booten und Meer zu tun hat, und für einen durchschnittlichen Mitteleuropäer "lässig" erscheint, dann doch seine Schattenseiten haben.
Was mich freut, ist die Menschlichkeit, die dieser Marina-Manger gegenüber seinen Mitarbeitern und dem Berufsstamm an sich gegenüber zeigt! Toll! Die Welt braucht mehr von solchen Chefs! Eine weitere Info: das gesamte Hafenbecken wird, beginnend mit dem Bereich bei der Krananlage/Tankstelle, im Laufe der nächsten Jahre tiefer gemacht. So auch der Bereich, wo Tina liegt! Super! Erst gegen Ende unserer Unterhaltung meint er, in beinahe akzentfreiem Deutsch, dass wir uns aber auch in meiner Muttersprache unterhalten könnten, sofern ich wolle! Lach! Ich komm eigentlich ganz gut mit meinem Englisch durch, aber ja, das hätte diese nautische Konversation zwischen uns wohl doch etwas einfacher gemacht!

Ich gehe wieder unter Deck und checke sämtliche Tidentabellen, die ich finden kann. Und die alle irgendwie geringfügig was anderes sagen. Beginne, mit den Daten aus dem Internet und dem, was mein altes Echolot anzeigt, in eine Art Selfmade-Tidenkurve zu erstellen. Geht mehr schlecht als recht, aber zumindest eine Kurve!

Da ich ja eh Zeit habe, fahre ich nach Murter. Habe im Vorbeifahren gesehen, dass es dort einen Musto-Shop gibt! Ich könnte noch eine Segelhose, sowie einen Windbreaker brauchen. Ich werde von einer äußerst netten und liebenswerten Dame, mittleren Alters begrüßt die mir sofort bereitwillig das Sortiment, des chaotisch wirkenden, aber dennoch recht gut sortierten Shops zeigt. Mit mehreren Anproben arbeiten wir uns zu einer Hose durch, die super passt und noch dazu um 50% verbilligt ist! Deal! Sie zeigt mir dann noch eine Softshell-Jacke, die auf Anhieb passt und ebenfalls nur die Hälfte des regulären Preises kostet! Tja, man muss ja auch mal Glück haben! Der bitter Beigeschmack dabei! Als ich den Shop verlassen will und nach meiner Sonnenbrille greife, hat sich diese in Luft aufgelöst. Ich war mir fast sicher, sie aufgehabt zu haben, als ich den Shop betrat, aber die Verkäuferin meint, ich wäre ohne gekommen. Trotzdem durchsuchen wir gemeinsam jeden Winkel des winzigen Shops! Nichts! Gut, dann hab ich sie wohl wirklich auf dem Schiff gelassen ....

14:00 Uhr: Das Wasser läuft wieder auf. Jetzt zeigt das Echolot schon 1,2 Meter.

14:36 Uhr: In einer Böe schlägt es die Pinne auf die andere Seite. Konnte diese seit Stunden nicht mehr bewegen, so fest waren Kiel und somit auch das daran angehängte Ruder, im Schlamm eingegraben.

14:40 Uhr: Das Echolot zeigt 1,3 Meter: Eine weitere starke Bö drückt Tina von der Untiefe, die sich anscheinend gleich neben Tinas Liegeplatz befindet. Nach fünfeinhalb Stunden schwimmen wir wieder! Ich zücke den Bootshaken und ziehe uns damit ganz nah ans Nachbarschiff. Dann lege ich eine Sicherungsleine zwischen Tina und dem benachbarten Segelboot, damit es uns nicht wieder auf die Untiefe treiben kann. Das Echolot zeigt nun komischerweise wieder 1,1 Meter. Weniger als zuvor, als wir auf Grund lagen! Somit kann dort eigentlich nur eine lokale "Untiefe" sein, auf der Tina mit ihrem Kiel hängengeblieben ist, als uns beim Ablegen eine Bö etwas nach steuerbord vertrieben hat. Der Geber für das Echolot sitzt etwas weiter vorne - kann sein, dass Tina dort noch nicht ihren maximalen Tiefgang hat. Das würde mir das Freikommen, trotz Verminderung der Wassertiefe um gar 20 cm, irgendwie erklären. Trotzdem komisch zu wissen, dass es jederzeit wieder soweit sein kann. Und vermutlich auch wird! Spätestens um 00:00 Uhr, wenn das nächste Niedrigwasser da ist, wird es selbst in der Box schon arsch-knapp! Ich hoffe auf ruhige See, damit ein eventuelles Aufsetzen nicht gar so heftig ist. Ich denke nämlich, die "Faustschläge" gegen das Heck, die ich in den Bora-Nächten als Wellen, die gegen den Spiegel donnern, gedeutet hatte, waren die Geräusche, die der Kiel macht, wenn er im Wellengang auf den Hafenboden rumst!!!!! Mir wird schlecht!!! Gut, dass Tina ein Langkieler ist, der Rumpf also in einem Stück laminiert ist. Im 2 cm dicken GFK sind dann die 1,2 Tonnen Blei fix integriert! Alles robust gebaut und aus einem Stück. Bei anderen Booten ist der Kiel am Rumpf angeschraubt und am Ende ist eine Bleibombe dran! Dort halten nur wenige Bolzen den Kiel am Boot! Grundberührungen sind bei solchen Schiffen definitiv besorgniserregender als bei Tina. Trotzdem ....

15:00 Uhr: Das Echolot zeigt 1,2 Meter in der Box. Jetzt würde ich wahrscheinlich sogar rauskommen. Der Wind würde mich wenn, dann von der Untiefe wegtreiben! Aber wenn ich jetzt noch ablege, würde ich es noch vor Sonnenuntergang bis Biograd schaffen? Eher nicht! Ich müsste an die 6 Knoten Schnitt fahren, was Tina nie und nimmer schafft! Als ich am Morgen erste Überlegungen angestellt habe, hatte ich 15:00 Uhr als frühest mögliche Zeit wieder freizukommen prognostiziert (irgendwie bin ich stolz drauf, als totaler Tiden-Neuling das richtig abgeschätzt zu haben). Da war mir schon klar, dass ich heute nicht mehr ausfahren werde. Shit! Dabei wär alles so gut gelaufen! Tina und ich wären fit und motiviert gewesen! Wieder ein Rückschlag! So langsam wird es zeitmäßig echt knapp! Eigentlich wollte ich mich schon seit gestern, entspannt, in der Marina Kornati, auf die kommenden 2 Ausbildungswochen vorbereiten! Dumm gelaufen! Aber Hauptsache, ich habe morgen nochmal die Chance, mein schon so lange gesetztes, erstes Ziel zu erreichen! Jetzt habe ich schon so viel Zeit, Geld und vor allem auch Arbeit und Nerven investiert! Da muss ich doch jetzt auch mal den Lohn dafür ausbezahlt bekommen!

Meine letzte Chance abzulegen und Biograd per Schiff rechtzeitig zu erreichen, ist morgen Früh ganz zeitig mit dem "Hochwasser", das lt. diversen Apps jedoch nicht berauschend hoch ausfallen soll. Ich werde mich also heute sehr zeitig in die Koje hauen und den Wecker auf 05:00 Uhr stellen. Für 06:03 Uhr ist Hochwasser angesagt. Ich möchte es dann nochmals wagen! Die Sonne sollte um 05:56 aufgehen! Wenn ich also um 06:00 Uhr wegkomme, dann kann ich gegen Mittag in Biograd sein und um 15:00 Uhr gemütlich zum Schulschiff rüber schlendern. Alles im grünen Bereich! Ich muss nur mal rauskommen!!!!!!

17:00 Uhr: Nachdem ich meine Sonnenbrille weder im Auto, noch auf Tina auffinden konnte, fahre ich zurück zum Musto-Shop. Vielleicht das Ding ja mittlerweile aufgetaucht. Leider nein! Also macht die Dame ein zweites Mal am heutigen Tag ein Geschäft mit mir. Ich erstehe eine gute Seglerbrille. Zwar ist diese nicht verbilligt, aber wenigstens habe ich jetzt mal eine "richtige" Seglerbrille.

Als ich schon nach Jezera fahre, will ich gerade anhalten, um das neue Teil, auszupacken und gleich mal einem Feldtest zu unterziehen, da winkt jemand am Straßenrand. Autostopper! Genau dort wo ich eigentlich eh stehen bleiben wollte! Ich nehme sonst nie Tramper mit. Keine Ahnung warum. Ich habe doch keine Angst überfallen oder verschleppt zu werden und meistens ist ja auch noch Platz im Auto?! Vielleicht die Scheu vor dem Unbekannten? Wie auch immer. Heute ist es anders! Ohne großartig nachzudenken - fast automatisch - halte ich genau vor der Nase, der zuvor im Gegenlicht winkenden Gestalt an und lasse das Fenster runter. Die Dame meint, sie müsse zur Autobahn. So weit fahre ich nicht. Eigentlich nur bis Jezera, aber ich biete ihr an, sie bis Tisno zu bringen. Dort sind die Chancen, eine Mitfahrgelegenheit Richtung Autobahn zu erhaschen, weitaus größer als auf der Landstraße, an der Kreuzung, an der es runter nach Jezera geht, und für mich bedeutet das gerade mal 5 Minuten Zeitverlust! Auf der nur Zehnminütigen Fahrt nach Tisno, kommen wir ins Gespräch und ich erfahre, dass die Dame, eine Slovenin, gerade hier herzieht und jetzt mal kurz zurück in die alte Heimat muss, um einige Dinge zu erledigen. Wirklich eine nette Begegnung! Ich werde in Zukunft öfter mal Autostopper mitnehmen. Und vielleicht war diese "gute Tat" karmisch gesehen, gerade richtig. Morgen Früh brauche ich das Universum auf meiner Seite!

Heute konnte ich zwar nicht, wie geplant, ablegen - beziehungsweise, abgelegt hatten wir ja schon! Autsch! - jedoch habe ich 3 wirklich nette Gespräche geführt und im Ausverkauf auch noch einiges an Geld gespart! Glück im Unglück irgendwie! Wie, wenn mich das Universum bei Laune halten wollte?! Ich werde also nun nur noch kochen!? Wohl eher irgendwas Essbares reinstopfen, denn heut freut's mich echt nicht, wie üblich das Wetter und nun auch die Tide checken, eventuell noch die Sanitäranlagen nutzen, wobei es hier drin schon fast zu gemütlich ist, zum rausgehen in den kalten Wind und stinken würde ich noch nicht, den Wecker auf 5:00 Uhr stellen, mich dann zeitig in die Koje schmeißen und hoffen, dass ich morgen die allerletzte Möglichkeit zum rechtzeitigen Auslaufen nützen kann!

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