21.3.2019 - und er meinte: "It might not be as bad, as it looks!"

Gut schlafe ich nich in dieser Nacht! Ab 5 Uhr werde ich immer wieder wach und frage mich, wie die Geschichte mit dem Motor wohl enden wird! Gegen 7 Uhr krieche ich aus meiner Koje und starte mit drei Kaffee und dem Wetterbericht in den Tag - so ganz gebe ich die Sache mit dem Auslaufen nun doch nicht auf.

Als ich später, an Deck kniend, einen Splint am Bugkorb erneuere, erschallt über mir ein freundliches "Dobre jutro". Ich blicke auf und will noch "Dobre jutro - come on board" sagen, da huscht er auch schon über die Gangway. "Bepo", ein sympathisch aussehender Endzwanziger, hat es eilig, wie es scheint. Trotz der offensichtlichen Hast ist er sehr freundlich, hört sich geduldig meine Anamnese an und wirft dann gelassen einen Blick in den Motorraum. "It might not be as bad, as it looks! Oil always stays on top!" meint er, als er mit seinem Finger in der braunen Suppe rührt. Der Fachmann, der das selbe Motorenmodell in seinem alten Holzboot hatte, meint, das es zwar Öl und Wasser sei, was da in der Bilge schwappt, jedoch kein Diesel dabei sei! Er sieht sich die Wasserpumpe an, bei der ich beim gestrigen Testlauf hie und da einen Wassertropfen austreten sah, und meint, dass da vermutlich ein Simmering getauscht werden muss. Den Ölverlust, der anscheinend nicht groß sein kann - denn am Messstab ist dieser nicht merklich - müsse man sich ansehen, indem man Motor und Motorbilge mal ordentlich putzt und dann im Test-Run, mit Lampen und Spiegeln bewaffnet, versucht den Ölaustritt auszumachen. Es ist echt eng in Tinas kleinem Motorraum! Eine Herausforderung! Bepo sieht sich noch das Motoröl an und meint, es seie überhaupt kein Problem mit diesem Motor auszufahren. Ich solle halt auf den Ölstand achten und mich via Luca bei ihm melden, wenn ich wieder zurück bin. Er würde mir dann in einem Aufwaschen den Simmering tauschen, Öl und Filter wechseln und nach dem Ölleck suchen! Das ist ein Deal! Und was für eine Freude! Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, auslaufen zu können!

Hochmotiviert brause ich nach Murter zu Luca, um ihm die guten Neuigkeiten mitzuteilen und gleich mal neue Fenderleinen, sowie eine Öl-Absaugpumpe und Bremsenreiniger zu kaufen. Ich will die Sache mit der Bilge gleich noch in Angriff nehmen. Die Pumpe muss erst aus Sibenik geliefert werden, also ziehe ich lediglich mit den Fenderleinen im Gepäck wieder ab, um um 15 Uhr wiederzukehren. Das Absaug-Ding ist da und nach einer kurzen Verabschiedung mit Luca fahre ich auch schon wieder zurück zu Tina. Ich sauge ganze 4 Liter Öl/Wasser-Gemisch aus der Bilge! In dem Auffangzylinder kann man es nun schön erkennen! Es ist wirklich nicht mal ein fünftel davon Öl. Kann gut sein, dass das Öl schon lange Zeit sukzessive in die Bilge, die nun tiefer, als angenommen zu sein scheint, getropft ist und jetzt halt das Problem mit der Wasserpumpe dazu gekommen ist. Wie auch immer, ich werde mich in Zukunft hüten, mir da selbst eine Diagnose zu stellen. Ich hätte ruhiger schlafen können! Depp!

Nachdem ich das Zeug in einen der Dieselkanister umgefüllt habe, damit die Pumpe bereit für ihren nächsten Einsatz ist, reinige ich den alten Volvo und die darunterliegende Bilge noch mit Bremsenreiniger! Schaut gut aus! Glänzt wie sau! Nun sollte man erkennen können, wo das Öl austritt! Ich starte den Motor und werfe im laufenden Betrieb einen Blick in den Motorraum. Auch nach ein paar Minuten noch kein Tropfen Öl in der strahlend weißen, frisch geputzten Bilge! Die Impellerpumpe verliert auch keinen einzigen Tropfen! Irre! Gestern war da noch ein Mini-Leck!
Wie auch immer! Geil, dass ich die "Freigabe" habe! Geil, dass ich das Gröbste an Saustall schon mal erledigt hab! Geil, dass sich Bepo den Motor genauer ansehen wird und geil, dass es morgen losgeht! Ich strahle, während ich Tinas Cockpit wasche, welches von den Arbeiten der letzten Wochen, doch recht dreckig ist. Danach spanne ich noch meine Jack-Line. Ein Gurtband, welches vom Cockpit aus bis zum Bug führt. In dieses kann ich meine Life-Line, ebenfalls ein Gurtband mit gesichertem Karabiner, welches wiederum an der automatischen Rettungsweste befestigt ist, einklinken und so gesichert vom Cockpit bis zum Bug gehen! Nicht auszudenken, wenn ich alleine bin und in voller Fahrt vom Boot falle! 4 Knoten Fahrt sind realistisch. Selbst 2 Knoten "derschwimmt", auf gut Österreichisch niemand! Es kann sich jeder ausmalen, was das bedeutet! Auch habe ich keine PLB (Personal Location Beacon) oder Personal EPIRB (Emergency Position Indicating Rescue Beacon) an der Weste, welche ich auslösen könnte, während ich im Meer treibe, sondern nur eine EPIRB fürs Boot, die dann blöderweise keiner mehr an Bord auslösen könnte. Das Boot würde somit stur weiterfahren, ich im Meer treiben und niemand, aber auch wirklich niemand, würde davon mitbekommen!

Ich habe die Geschichte von Christian Kargl persönlich gehört, als ich bei ihm ein Offshore Safety Training absolviert habe. Ihn hat es 35 Meilen vor der Brasilianischen Küste, bei der Mini-Transat, einer Einhand-Transatlantik-Regatta für 6,5 Meter Boote, von Bord seines Racers gespült. Nur durch wahnsinniges Glück wurde er durch einen anderen Regattateilnehmer, in der bereits untergehenden Sonne aus der aufgewühlten See gefischt, und auf sein Boot, welches währenddessen unbeirrt weiter Kurs hielt, zurückgebracht. Was muss einem da durch den Kopf gehen?! Ich will es gar nicht wissen! Deswegen: Safety-First!

Somit kann es morgen los gehen! Klar Schiff machen, noch einen Huscher zum Hafenkapitän um die "Cruising Permit", oder wie auch immer das hier heißt, zu bezahlen und Leinen los! Spannend! Hätte mir vor einem Jahr - oder auch nur vor einem Halben - jemand gesagt, dass das alles so kommen wird, ich hätte es ihm nie und nimmer geglaubt! Eigentlich total surreal das Ganze! Wie im Film! Ziemlich arges Programm wird hier gespielt: Tragödien und spannungsgeladene Thriller werden gekonnt zwischen Dauer-Schiffs/Heimwerker-Sendungen eingespielt! Wenn's TV wär, wär's schräg! Frage mich, wo die Reise- und Abenteuergeschichten nur bleiben?! Naja, vielleicht gibt's da ja einen Programmdirektor, der daran arbeitet!

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