11.3.2019 - Der Sturm

Ich lege gegen 7:15 Uhr per Bürgerkäfig von Zuhause ab. Da ich noch kurz bei meiner Bank in Schrems vorbei schaue (möchte d.W. die Liegeplatzgebühr für das nächste Jahr bezahlen) entschließe ich mich gleich über Wien zu fahren. Falsche Entscheidung! Kaum auf die Stockerauer Autobahn aufgefahren, finde ich mich im Montag-Morgen-Wahnsinn wieder! Depp! Ich sollte es doch wissen! Ich nehme gleich die nächste Ausfahrt und fahre zurück nach Tulln, von wo ich querfeldein in Richtung Allander Autobahn fahre, von wo ich dann ungehindert gen Süden zischen kann. Zeitverlust 45 Minuten! Das fängt ja gut an! Der Rest der Fahrt verläuft dann, abgesehen von Schneeregen und Matschfahrbahn, aber ohne besondere Vorkommnisse! Obwohl ich mit der "Kirche ums Kreuz" gefahren bin, komme ich nach nur 8:00 Stunden Fahrtzeit in Jezera an! Das geht! In Jezera erwarten mich, nach der winterlichen Anfahrt kaum zu glauben, lauschige 17 °C und Sonnenschein! Ich packe aus, richte mich ein und mache es mir mit einem der letzten Stiegl-Bier im Cockpit gemütich!

1 Zigarettenlänge später frischt es auch schon auf! Am Himmel türmen sich von NO her dunkle, bedrohlich wirkende Wolken auf! Sie kommt! Die Bora! Ich verfrachte das Dinghy von der Badeplattform in das noch(!) türkisgrüne Wasser des Hafenbeckens und mache es seitlich an Tina fest! Gut, dass neben uns kein anderes Schiff liegt. Wir haben Platz Nr. 1. In der seichtesten Ecke des Hafens! Tina, mit ihrem Tiefgang von lediglich 1,4 Metern kann damit gut umgehen! Hier liegen wir gut! Direkt vor der Rezeption und den, im letzten Winter neugestalteten Sanitäranlagen. Zwar haben wir hier ab und an etwas Schwell von den vorbeifahrenden Fischebooten, aber besser geht's fast gar nicht! So sichere ich das Dinghy, auf dass es uns keinen zusätzlichen Winddruck aufhalst, neben Tina und schlage eine Extra-Leine auf das, auf den Baum gepackte Großsegel! So festgezurrt, sollten keine Bö dem Tuch was anhaben können! Anm. So ein "Lazy-Bag", wie es die Segel-Cracks hier im Hafen haben. Das wärs! So wäre Tinas "Groß"segel, das eigentlich nicht mal die Hälfte der riesigen Genua misst, sicher am Baum verstaut und weder UV-Strahlung noch Starkwind könnten das alte, aber wertvolle Tuch schädigen!!

Das Handy klingelt und ein sehr netter Herr von der Fernmeldebehörde teilt mir mit, dass mein Antrag für eine Seefunkstelle in Bearbeitung ist. Ich bekomme auch gleich mein Call-Sign und meine MMSI genannt.
SY TINA
Call Sign: OEX 8569 (angelehnt an Tinas Registrierungs-Nr: N-28569 - DANKE!)
MMSI: 203477200

Zurück an Deck starte ich den Diesel und lege im Standgas den Rückwärtsgang ein. So zieht der Jockel Tina nach hinten und ich kann die Vorleinen etwas fieren (nachgeben/verlängern). Danach spanne ich die Muringleinen, die Tinas Heck weg von der Pier ziehen, und nun lose hängen, mit aller Kraft nach. Auf seemännisch: ich hole sie dicht! Motor aus! Kontrolle! Passt! Tina liegt nun 1 Meter weiter von der Pier weg und ist borasicher gemacht! Dann fängt es auch schon an zu tröpfeln und mit einem Schlag ist der Wind da! Zuerst noch moderat, steigert er sich binnen einer halben Stunde auf, auf diesem Schiff bedrohlich wirkende 30 Knoten! Das drückt ordentlich gegen den breiten Arsch, der nur 28 Fuß langen Tina! Sind die Murings gut belegt? Check! Sollten passen! Trotzdem ein ungutes Gefühl! Sie wiegt sich hin und her und stampft wild im Hafenbecken. Von draußen platscht das Wasser gegen die Bordwand! Man könnte glauben, es ist Wasser im Schiffsinneren, das so erbärmlich gluckst! Unangenehm! Ungewohnt! Es beginnt zu schütten! Der Wind legt nochmals zu! In Böen haben wir nun sicher an die 50 Knoten! Leider habe ich keine fix installierte Windmess-Anlage und bin zu Faul, mit meinem ohnehin irgendwelche Fantasiewerte ausspuckenden Handwindmesser - ein Werbegeschenk - raus zu gehen! Damals in Primosten, als ich am Masttop unserer Sun Odyssey 44, 48 Knoten in der Marina gemessen habe - damals hatte es bei einem Schiff eine Klampe (Für Nicht-Nautiker: Ein Metallding, an welches die Leinen, welche das Schiff am Land sichern, angemacht werden) ausgerissen; ganze 8 Mann waren nötig, um die Situation zu beruhigen - war das gefühlt nicht weniger! Gut, vielleicht hat damals die 44 Fuß Yacht einiges "abgefangen". Nun befinde ich mich auf 28 Fuß! Klar, dass sich das hier nun alles gleich mal ärger anfühlt! Es beginnt beim Salon-Luk reinzutropfen! Gut, jetzt weiß ich wenigstens, dass der Wasserschaden am Holz darunter, kein alter Schaden ist, sondern auch das neue Luk undicht ist! Auf die Todo-List!!!!!! Ansonsten scheint Tina dicht zu sein! Auch die nur temporär eingeklebte Schraube des Relingsfußes, ist dicht! Super! So tropft es mir heute Nacht auch nicht auf den Kopf!

Ich mache mir Sorgen um die Gangway, die am Bug von Tina festgemacht ist und fleißig mit "schwoit". Ja, man kann fast von schwoien sprechen, so wie es Tina hin und her beutelt! Wir haben hier keinen Nachbarn in Lee (= der windabgewandten Seite), also kann sich das Schiff nirgendwo anlehnen und hängt lediglich in der heckseitig ausgelegten Luv-Muring (Luv = dem Wind zugewandt). Die Gangway (Brücke, über die man an Bord kommt) ist also fix an Tina "montiert" und liegt frei auf einem Finger des Stegs auf! Was, wenn Tina derart hin und her geht, dass die Gangway vom Fingersteg rutscht? Ich bin verunsichert. Ich will einen Schaden unbedingt vermeiden, steige ins Ölzeug - mittlerweile schüttet es wie aus Kübeln - und anschließend mit Stirnlampe bewaffnet an Deck. Das lässt mir einfach keine Ruhe! Draußen angekommen, beobachte ich einige Momente die Lage und enschließe mich die Gangway "lose" am Steg zu sichern. So lose, dass sie mit den Schiffsbewegungen mit "gehen" kann, aber auch so sicher, dass sie nicht vom nur 1 m breiten Fingersteg rutschen kann (der Bug wandert 1-1,5 Meter hin und her).

Tropfnass komme ich zurück in den wohlig warmen Bauch von Tina. Das mit der Gangway sollte mir nun keine Sorgen mehr machen! Ich hänge mein Ölzeug gleich beim Niedergang auf, damit der Weg des H2O recht kurz ist. Hier drunter gehts runter in die tiefen Abgründe von Tinas Bilge - Gott weiß welch Bilgenschwein da wohl wohnt. Während ich mich freue, dass mein Ölzeug, wohl auch dank meines Heizstrahlers, überraschend schnell trocknet, frischt der Wind weiter auf! Draußen knarzen Tinas Leinen an den Klampen! Ein hässliches Geräusch! Es knackt! Es gluckst! Schlecht durchgesetzte Falle von Nachbarschiffen schlagen gegen deren Masten! Der Wind pfeift durch 1000 Wanten und Stage! Ungut! Dann wieder ein Schlag gegen Tinas Heck! Oder kam der von vorn? Im Bauch von Tina kann man nicht abschätzen, ob nun eine Muring gerissen ist und demzufolge der Bug gegen die Pier kracht, oder die Vorleinen lose gworden sind und Tina nun weiß Gott was tut - sich womöglich das Ankergeschirr an der Pier abgestoßen hat. Ungut! Als Charterer war ich in ählicher Situation definitiv entspannter!

20:45 Uhr: Jetzt kommt eine Wetterwarnung via Funk! Nett, dass ihr mich informiert, aber ich weiß eigentlich schon bescheid!
"local gusts NE 35-70 ..... sea locally rough and also local thunderstorms
synopsis: cold front over adriatic shifting eastwards"
Danke für die Bestätigung, so fühlt es sich in etwa an! Ah ja ... das mit den "thunderstorms" kann ich bestägigen! Durfte einen Blitz und 3 nicht mal Sekunden darauf einen ordentlichen Donner miterleben, als ich nach der Aktion mit der Gangway über Tinas Deck zurück ins Cockpit schlich! Gut, dass Tinas Mast hier in der Marina zu den kleinsten zählt! Yess!!!!

22:03 Uhr: Ich wills nicht verschreien, aber die Lage hat sich etwas beruhigt! Es ist nun schon fast angenehm hier drin in Tinas Salon. Zwar wiegt es uns hin und her und das aufgewühlte Wasser des Hafenbeckens platscht gegen Tinas Rumpf, aber das Stampfen hat aufgehört. Auch das dämonische Singen des Windes in den Wanten der 150 Boote, die hier liegen! Fast wie im Takt kommen noch mäßige Böen, die Tina ein wenig zur Seite legen, aber hey - das hier wäre für einen halbwegs guten Schlaf schon mal akzeptabel! Ich mache mir ein Gute-Nacht-Stiegl auf und warte ab!

23:07 Uhr: Der Wind hat wieder zugelegt und drück noch heftiger als zuvor gegen Tinas Arsch! Irgendwie wie Tagada-Fahren! Ich probiere es trotzdem mit schlafen......

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